
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode
Drucksache 11/4611
Das Bundeskartellamt hat dem Zeitungsverlag Main-
zer Verlagsanstalt Will und Rothe GmbH & Co. KG,
Mainz (MVA), 1987 mitgeteilt, daß der bekanntge-
wordene treuhänderische Erwerb des Anzeigenblatt-
verlages Rundschau-Verlagsgesellschaft mbH, Ingel-
heim (Rundschau-Verlag), durch die MVA im Jahre
1983 die Untersagungsvoraussetzungen des § 24
Abs. 1 erfüllt. Daraufhin hat die MVA 1988 angezeigt,
daß sie über ein Mitglied ihres Beirates sämtliche Ge-
schäftsanteile des Rundschau-Verlages von einem
Veräußerer erworben habe, der nach der heutigen
Erkenntnis der MVA die Geschäftsanteile für ihre frü
-
heren Geschäftsführer hielt. Gleichzeitig erklärte die
MVA, sie sei nicht bereit, den Erwerb durch Veräuße-
rung an einen Dritten rückgängig zu machen. Sie sei
der Auffassung, daß ohne die betrüge
ri
schen Manipu-
lationen ihrer früheren Geschäftsführer und anderer
Personen der Rundschau-Verlag durch Konkurs aus
dem Markt ausgeschieden wäre. Die durch den Rund-
schau-Verlag vermittelten Marktanteile auf Anzei-
genmärkten wären damit voll der MVA zugefallen, da
seinerzeit im Vertriebsgebiet der „Ingelheimer Rund-
schau" und der „Binger Rundschau" keine Wettbe-
werbsobjekte erschienen. Vor diesem Hintergrund
und angesichts der Tatsache, daß der Rundschau-Ver-
lag ohne die Unterstützung der MVA überschuldet
wäre, könne die „Wiederherstellung des früheren Zu-
standes" im Sinne von § 24 Abs. 6 allenfalls bedeuten,
daß der aktive Geschäftsbetrieb des Unternehmens
eingestellt werde.
Im Juni 1988 sind dann alle Ausgaben der „Rund-
schau" (mit Ausnahme der „Bad Kreuznacher Rund-
schau", deren Übernahme durch die MVA wettbe-
werblich unbedenklich ist) eingestellt worden. Die
MVA erklärte auf Anfrage, sie beabsichtige nicht, im
Vertriebsgebiet der eingestellten Anzeigenblätter
neue Anzeigenblätter herauszugeben. Seit der Ein-
stellung der „Rundschau" gibt deren Altverleger ein
neues Anzeigenblatt mit dem Titel „Neue Ingelhei-
mer Umschau" heraus. Mit dieser Neugründung ist
jetzt zumindest in Ingelheim wieder ein unabhängiger
Anzeigenblattverleger tätig. Die MVA hat sich inzwi-
schen auch bereit erklärt, keine Rechte an dem Titel
„Ingelheimer Rundschau" aus § 16 UWG geltend zu
machen. Nach Auffassung des Bundeskartellamtes ist
damit die Wettbewerbsbeschränkung, die durch das
Untersagungsverfahren für unzulässig erklärt werden
sollte, beseitigt.
Das Kammergericht hat die Untersagung des Zusam-
menschlusses zwischen der S-W Verlag GmbH & Co.
KG für Lokalinformation, Mayen, (S-W Verlag) einer-
seits und der Weiss-Druck + Verlag GmbH & Co. KG,
Monschau, sowie ihrem Alleingesellschafter und des-
sen Sohn (Weiss-Gruppe) andererseits (Tätigkeitsbe-
richt 1985/86 S. 89) bestätigt (WuW/E OLG 4095). Das
Kammergericht teilt die Auffassung, daß der S-W Ver-
lag durch die W + I Verlag GmbH, Werbung und In-
formation, Neuwied, (W + I), die über identische Ge-
sellschafterstämme mit der Mittelrhein-Verlag
GmbH, Koblenz, verflochten ist, und die Weiss-
Gruppe gemeinsam beherrscht wird. Nach Auffas-
sung des Kammergerichts verstärkt der Zusammen-
schluß das im Landkreis Cochem-Zell und im Raum
Mayen bestehende marktbeherrschende Oligopol des
S-W Verlages und der Mittelrhein-Verlag GmbH auf
dem Anzeigenmarkt für Anzeigenblätter und Tages-
zeitungen. Die Mittelrhein-Verlag GmbH ist in diesen
Gebieten mit Ausgaben ihrer regionalen Tageszei-
tung „Rhein-Zeitung" vertreten. Das Kammergericht
hat marktbeherrschende Stellungen des S-W Verla-
ges in den Landkreisen Bittburg-Prüm und Bernka-
stel-Wittlich verneint, da die Anzeigenblätter des Ver-
lages hier mit der regionalen Tageszeitung „Trieri-
scher Volksfreund" im Wettbewerb stehen.
Die Entscheidung ist rechtskräftig. Die beteiligten Un-
ternehmen haben den untersagten Zusammenschluß
entflochten, indem sie die Anzeigenblätter des S-W
Verlages im Landkreis Cochem-Zell und im Raum
Mayen in die neu gegründete S-W Verlag Lokalanzei-
ger-Wochenspiegel GmbH & Co. KG, Mayen, einge-
bracht haben. An dieser neuen Gesellschaft ist die
Weiss-Gruppe mit 75,1 % und W + I mit 24,9 % betei-
ligt. Eine personelle Verflechtung zwischen dem S-W
Verlag und der neuen Gesellschaft in der Geschäfts-
führung oder beim übrigen Personal besteht nicht. Die
neue Gesellschaft wird als selbständige Unterneh-
menseinheit im Anzeigenblattgeschäft in den beiden
genannten Gebieten, die nach ihrem Anzeigenpoten-
tial hierfür eine hinreichende wirtschaft
li
che Grund-
lage bilden, tätig sein.
Die großen Zeitschriftenverlage versuchen, ihre in
den letzten Jahren bei den traditionellen allgemeinen
Publikumszeitschriften eingetretenen Auflagenverlu-
ste auszugleichen, indem sie ihr Tätigkeitsgebiet
durch die Herausgabe eigener Titel oder durch Über-
nahme dort erscheinender Titel auf das benachbarte
Ausland ausdehnen. Wegen der marginalen Inlands-
verbreitung und der nur begrenzten Verwertbarkeit
der neugewonnenen Ressourcen im Inland sind diese
Zusammenschlüsse — wie etwa der Erwerb der fran-
zösischen Frauenzeitschrift „Ma
ri
e-France" durch die
Verlagsgruppe Bauer — unproblematisch. Weiterhin
haben die Verlage ausländische Titel für das Inland
oder inländische Publikumszeitschriften mit speziel-
lem Themenkreis übernommen. So hat die Burda
GmbH mit dem französischen Verlag der Zeitschrift
„Elle" ein Gemeinschaftsunternehmen für eine
deutschsprachige Ausgabe dieser Frauenzeitschrift
gegründet. Die Verlagsgruppe Bauer hat die deutsche
Ausgabe der Zeitschrift „Wiener" übernommen.
Diese Zusammenschlüsse haben zwar zum Wegfall
potentiellen oder aktuellen Wettbewerbs geführt,
denn Burda und Bauer hätten in den jeweiligen
Marktsegmenten mit eigenen Objekten tätig werden
können. Die wettbewerblich negativen Auswirkun-
gen solcher Zusammenschlüsse werden aber derzeit
und in absehbarer Zukunft durch eine anhaltend
große Zahl von Neuerscheinungen überkompen-
siert. Eine A/jointfilesconvert/456955/bgrenzung der Interessengebiete der
großen Zeitschriftenverlage ist dabei nicht erkenn-
bar.
Das Bundeskartellamt hat gegen die Westdeutsche
Allgemeine Zeitungsverlagsgesellschaft E. Brost &
J. Funke GmbH & Co. KG (WAZ KG) und die beiden
Geschäftsführer dieses Unternehmens Bußgelder ver-
hängt. Die WAZ KG hatte den Erwerb der in Essen
erscheinenden Stadtteilzeitungen „Borbecker Nach-
richten" und „Werdener Nachrichten" vor der nach
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