
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode
Drucksache 11/4611
wendbar sind. Dies bedeutet u. a., daß auch auf die-
sem Gebiet wettbewerbsbeschränkende Vereinba-
rungen und Empfehlungen, die geeignet sind, den
zwischenstaatlichen Handel spürbar zu beeinträchti-
gen, unter das Verbot des Art. 85 Abs. 1 EWGV fallen,
wenn sie nicht nach Absatz 3 dieses Artikels von die-
sem Verbot freigeste
ll
t werden. Im „Feuerversiche-
rer" -Fall ist die Freistellung mit der Begründung ab-
gelehnt worden, daß eine Bruttoprämien-Empfeh-
lung, die nicht nur die Deckung der Schadenkosten,
sondern auch einheitliche Bet
ri
ebskosten- und Ge-
winnzuschläge umfaßt, nicht zu einer Verbesserung
der Dienstleistungen auf dem Versicherungsmarkt
beiträgt und über das Maß des hierfür Erforderlichen
hinausgeht. Der Verstoß gegen A
rt
. 85 EWGV hat
auch Folgen für die Legalisierungsfähigkeit nach
§ 102. Ein nach Gemeinschaftsrecht rechtswidriges
Verhalten ist zugleich ein Mißbrauch im Sinne des
§ 102 Abs. 4. Das Bundeskartellamt hat daher die Ver-
sicherer und ihre Fachverbände darauf hingewiesen,
daß Bruttoprämienempfehlungen unter Einbeziehung
einheitlicher Kosten- und Gewinnzuschläge miß-
bräuchlich im Sinne von § 102 Abs. 4 sind und bean-
standet werden. Die Fachverbände der Versiche-
rungswirtschaft haben sich bereit erklärt, ihre noch
marktwirksamen alten Prämienempfehlungen auf
Nettobasis umzustellen und neue Empfehlungen nur
noch auf der Grundlage von Netto-Prämien auszu-
sprechen.
Das Bundeskartellamt und das Bundesaufsichtsamt
für das Versicherungswesen (BAV) haben 1986 ver-
einbart, bei der Aufsicht über Allgemeine Versiche-
rungsbedingungen (AVB), die von den Versicherern
bzw. ihren Fachverbänden gemeinsam erarbeitet und
einheitlich angewendet werden, enger zusammenzu-
arbeiten (Tätigkeitsbericht 1985/86 S. 96). Nach die-
ser Vereinbarung sind von den Fachverbänden im
Berichtszeitraum zahlreiche neue und geänderte
AVB, Sonderbedingungen und Klauseln nach § 102
angemeldet worden. Das Bundeskartellamt hat im
Rahmen der (antizipierten) Mißbrauchsaufsicht nach
§ 102 Abs. 4 insbesondere die Vereinheitlichung
preisrelevanter Teile in den AVB geprüft und zwei
Regelungen in den Allgemeinen Hagel-Versiche-
rungsbedingungen (AHagB 87) beanstandet. Dies be-
traf einmal eine Bestimmung, wonach sich der Grund-
beitragssatz nach Zahlung einer Entschädigung ein-
heitlich um 10 % erhöhen sollte. Ferner sahen die
AHagB 87 einen einheitlichen Selbstbehalt der Versi-
cherungsnehmer von 8 % im Schadensfalle vor. Der
Verband der Sachversicherer (VdS) hat wegen der
kartellrechtlichen Bedenken in beiden Fällen die ein-
heitlichen Prozentsätze durch von den Unternehmen
individuell zu vereinbarende Prozentsätze ersetzt. Be-
denklich war auch eine Neuregelung in den Allge-
meinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen
(VGB 88), nach der bei festen Entschädigungsgrenzen
für mitversicherte Kosten und zusätzliche Einschlüsse
indexierte Prämienmehreinnahmen der Versicherer
vorgesehen waren. Damit wäre das Äquivalenzprin-
zip von Leistung und Gegenleistung verletzt worden.
Diesen Bedenken hat der VdS durch eine Dynamisie-
rung der Entschädigungsgrenzen und eine entspre-
chende Änderung der in Betracht kommenden Bedin-
gungen und Klauseln Rechnung getragen.
Die Aachener und Münchener Versicherungsgruppe
(AMB) und die italienische Versicherungsgruppe
Fondiaria haben Beteiligungen von jeweils 25 plus
eine Aktie an der Volksfürsorge Deutsche Lebensver-
sicherung AG erworben. Das Bundeskartellamt hat
diese Beteiligungen nicht untersagt. Die zum Fer-
ruzzi-Konzern gehörende Gruppe Fondiaria ist in Ita-
lien einer der führenden Versicherer, in der Bundes-
republik bislang jedoch nur durch eine kleine Nieder-
lassung mit einem geringfügigen Geschäftsvolumen
vertreten. Durch den Zusammenschluß erhöhen sich
zwar die Marktanteile von AMB in allen wesentlichen
inländischen Teilmärkten der Erstversicherung und
der Rückversicherung beträcht
li
ch, übersteigen je-
doch auf keinem dieser Märkte 10 %. Sie liegen damit
mit großem Abstand hinter der in nahezu allen Berei-
chen der Erstversicherung führenden Allianz-Gruppe
bzw. in der Rückversicherung hinter der führenden
Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft. Die
AMB/Volksfürsorge erreichen schon deshalb durch
den Zusammenschluß keine marktbeherrschende
Stellung. Für eine oligopolistische Marktbeherr-
schung durch Allianz/Münchener Rück und AMB/
Volksfürsorge haben die Ermittlungen des Bundes-
kartellamtes keine Anhaltspunkte ergeben.
Der Erwerb einer bisher von der AMB gehaltenen
Minderheitsbeteiligung an der Nordstern Allgemeine
Versicherungs-AG durch die Winte
rt
hur Schweizeri-
sche Versicherungs-Gesellschaft ist nicht untersagt
worden. Durch den Zusammenschluß erlangen Colo-
nia/Nordstern und Winterthur auf keinem der rele-
vanten Teilmärkte allein oder als Mitglieder einer Oli-
gopolgruppe eine marktbeherrschende Stellung. Das
Ausscheiden der AMB als Anteilseigner der Nord-
stern wirkt sogar dekonzentrativ, da es der Winte
rt
hur
ermöglicht, sich auf dem deutschen Versicherungs-
markt stärker zur Geltung zu bringen und den Wett-
bewerb zu intensivieren.
1. Kfz.-Versicherungen
Das Untersagungsverfahren nach §§ 37a Abs. 2, 25
Abs. 1 wegen a/jointfilesconvert/456955/bgestimmten Verhaltens bei der Aus-
arbeitung, Einführung und Anwendung der Beitrags-
angleichungsklausel (BAK) in der Vollkaskoversiche-
ru
ng (Tätigkeitsbericht 1985/86 S. 96) ist ohne Verfü-
gung a/jointfilesconvert/456955/bgeschlossen worden, nachdem der HUK-Ver-
band eine Neufassung der BAK (§ 12b AKB) als Emp-
fehlung nach § 102 angemeldet hat. Diese ist vom
BAV genehmigt worden und wird seit 1. Oktober 1988
angewendet. Die neue BAK orientiert sich nicht mehr
an der branchendurchschnittlichen Schadenentwick-
lung, sondern g
ru
ndsätzlich an der individuellen Ent-
wicklung bei den einzelnen Versicherern in Voll- und
Teilkasko. Die Anpassungssätze werden dabei auf ei-
nen Korridor von plus/minus drei Prozent um den
branchendurchschnittlichen Veränderungssatz be-
grenzt, um sprunghafte jährliche Zufallsschwankun-
gen zu vermeiden. Vor einer Anpassung der Beiträge
werden die Veränderungssätze um die jewei
li
gen
Verwaltungskostenanteile vermindert. Schließlich
können die Versicherungsnehmer ihre Kaskoversi-
cherung kündigen, wenn sich durch die Beitragsan-
gleichung oder durch die Zuordnung zu einer neuen
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