
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode
Drucksache 11/4611
Straßenfahrzeuge (33)
Die deutsche Automobilindustrie hat in den Jahren
1987 und 1988 mit jeweils 4,6 Mio. Fahrzeugen das
hohe Produktionsniveau der vergangenen Jahre ge-
halten. Mit einer Exportquote von 56 % für PKW (im
Jahre 1987), die über der japanischen liegt, wird ihre
interna
ti
onale Wettbewerbsfähigkeit belegt. Insge-
samt stellt sich die Automobilindustrie jedoch auf zu-
nehmend schwieriger werdende Rahmenbedingun-
gen ein, die einerseits durch die zunehmende Sätti-
gung der Automärkte in den hochindustrialisierten
Ländern gekennzeichnet sind und andererseits durch
Überkapazitäten und das Hinzutreten von Schwellen-
ländern wie Korea und Taiwan verschärft werden. Die
internationalen Autokonzerne begegnen diesen Ent-
wicklungen mit Übernahmen bzw. Beteiligungen an
Wettbewerbern, Kooperationen bei der Neuwagen-
produktion und einzelnen Bauteilen, Diversifikation
in marktnahe oder auch marktferne Betätigungsfelder
und der Straffung und Anbindung der Zulieferer und
Händler. Das Bundeskartellamt sieht bei Fortsetzung
des feststellbaren Trends zu gegenseitigen internatio-
nalen Unternehmensverflechtungen und Kooperatio-
nen eine Gefahr, daß der zur Zeit bestehende Wettbe-
werbsdruck langfristig erlahmen könnte, Die Gefahr
einer solchen Entwicklung zeigt besonders deutlich
das Verhältnis der amerikanischen, japanischen und
koreanischen Autohersteller. So besitzen beispiels-
weise General Motors eine Beteiligung von über 25
an Isuzu, Ford und Chrysler Anteile von knapp unter
25 % an Mazda bzw. Mitsubishi, General Motors 50 %
am koreanischen Autohersteller Deawoo. Mitsubishi
und Ford/Mazda halten unter 20 % der Anteile an
Hyundai bzw. Kia. Diese unternehmerischen Ver-
flechtungen werden durch vielfältige Formen techni-
scher oder kommerzieller Zusammenarbeit ergänzt.
In den USA gibt es beispielsweise derzeit fast keinen
amerikanischen Kleinwagen mehr, der nicht in japa-
nisch-amerikanischer Kooperation produziert wird.
Auch in Europa haben sich in den letzten Jahren ähn-
liche Entwicklungen vollzogen, wie die Fusionen Fiat/
Alfa Romeo, Peugeot/Citroen und VW/Seat und par-
tielle Kooperationen oder Zulieferungen für einzelne
Kfz.-Komponenten wie Motoren, Getriebe, Gelenk-
wellen, Achsen und anderes zeigen. Die Zusammen-
arbeit zwischen deutschen Herstellern einerseits und
japanischen und amerikanischen Automobilkonzer-
nen andererseits bildet noch eher die Ausnahme.
Hierzu gehört das Gemeinschaftsunternehmen Auto-
latina von VW und Ford für die PKW-Produktion in
Argentinien und Brasilien und die beabsichtigte Li-
zenzfertigung eines Pick up mit einer Nutzlast von
einer Tonne von Toyota bei VW. Die Kooperation VW/
Toyota wird derzeit noch geprüft.
Das Bundeskartellamt beobachtet mit zunehmender
Besorgnis den Trend von Automobilherstellern, in au-
tonahe Bereiche einzudringen bzw. sich dort durch
Übernahme von Wettbewerbern zu verstärken. Wäh-
rend die Fusionen der Hersteller von Feuerwehrfahr-
zeugen Iveco/Bachert und der Autovermieter Europ-
car/interRent nicht untersagt wurden, ist wegen der
Bedenken des Bundeskartellamtes ein geplanten Zu-
sammenschluß zwischen einem deutschen Automo
-
bilhersteller und einem Hersteller von Sonderfahrzeu-
gen aufgegeben worden.
Die Iveco Magirus AG, Ulm, ein Unternehmen des
Fiat-Konzerns, hat das in Konkurs befindliche mittel-
ständische Unternehmen Gebr. Bachert GmbH & Co.
KG übernommen. Beide Unternehmen sind auf dem
Markt für Feuerwehrfahrzeuge und Brandschutzaus-
rüstungen tätig. Der Zusammenschluß ist nicht unter-
sagt worden, weil wesentlicher Wettbewerb bestehen
bleibt; er beruht insbesondere darauf, daß Feuerwehr-
fahrzeuge technisch hochwertige Investitionsgüter
sind, in handwerklicher Einzelfertigung hergestellt
werden und die Nachfragestruktur ein individuelles
Angebotsverhalten ermöglicht.
Die Fusion zwischen den beiden Mietwagenunter-
nehmen Europcar (Wagon-Lits) und interRent (VW)
bet
ri
fft die Märkte für LKW-Vermietung, PKW-Ver-
mietung im Unfallersatzgeschäft sowie die sonstige
PKW-Vermietung. Auf dem Markt für LKW-Vermie-
tung ist aufgrund des insgesamt geringen Marktan-
teils der Europcar-Gruppe und der Kündigung von
Europcar-Lizenznehmern keine wettbewerblich rele-
vante Verstärkung von interRent zu erwarten. Auf
dem Markt für PKW-Vermietung im Unfallersatzge-
schäft kam eine Entstehung oder Verstärkung einer
marktbeherrschenden Stellung nicht in Betracht, da
hier interRent und Europcar keine hohen Marktan-
teile halten, und die Wettbewerbsbedingungen dieses
Marktes im wesentlichen durch die Tarifempfehlung
des Bundesverbandes der Kfz-Versicherer geprägt
werden. Auf dem Markt für PKW-Vermietung ohne
das Unfallersatzgeschäft besteht wesentlicher Wett-
bewerb, und zwar in Form von Preis-, Investitions-
und Service-Wettbewerb. Europcar/interRent errei-
chen weder allein noch gemeinsam mit anderen Wett-
bewerbern eine marktbeherrschende Posi
ti
on, weil
die den Wettbewerb bestimmenden Strukturfaktoren
durch den Zusammenschluß nicht entscheidend ver-
ändert werden. Die mehrheitliche Übernahme der
He
rt
z Coopera
ti
on, New York, durch die Ford Motor
Company, Dearborn, wurde im wesentlichen aus den
gleichen Gründen nicht untersagt.
Der Wettbewerbsdruck bei den Automobilherstellern
und der Wille, erreichte Marktpositionen und Einfluß-
sphären zu verteidigen, führt in Einzelfällen dazu, daß
marktstarke Unternehmen zu kartellrechtswidrigen
Mitteln greifen. In a
ll
er Regel kann das Bundeskartell-
amt bei frühzeitiger Unterrichtung durch den Betrof-
fenen die behindernden oder diskriminierenden Maß-
nahmen beseitigen, ohne eine förmliche Entschei-
dung treffen zu müssen. So ist einem Tuningunter-
nehmen und einem Hersteller von Anhängerkupplun-
gen wieder der Zugang zu den Händlernetzen eines
deutschen Herstellers bzw. eines Importeurs eröffnet
worden. Das Bundeskartellamt ist darüber hinaus ge-
gen systembedingte Behinderungen und Diskriminie-
rungen in einem Bonus- und Prämiensystem eines
Importeurs von Kraftfahrzeugen vorgegangen und hat
Änderungen durchgesetzt, die in Anlehnung an die
ständige Verwaltungspraxis des Bundeskartellamtes
(Tätigkeitsbericht 1979/80 S. 60) eine sachbezogene
und willkürfreie Handhabung ermöglichen. Im Rah-
men dieses Verfahrens wurden auch Nebenbedin-
gungen beanstandet, die nach Auffassung des Bun-
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